Langzeitbetrieb

EIN VERANTWORTUNGSLOSES EXPERIMENT – EIN BLINDFLUG

Je älter, desto unsicherer darf ein Atomkraftwerk sein, um als sicher zu gelten.

Als Grundlage für die Beurteilung dafür, ob ein Reaktor vom Eidgenössischen Nuklearinspektorat ENSI juristisch als „sicher“ beurteilt werden kann, dient die sogenannte Auslegung des Atomkraftwerks. Als Auslegung werden die zur Zeit der Erteilung der Baubewilligung vorgelegten Pläne bezeichnet. Diese Pläne mussten die zur Zeit der Planung geltenden gesetzlichen Vorgaben erfüllen.

Heute gehört es zum Stand der Technik, dass risikobehaftete Anlagenteile redundant ausgelegt sein müssen. Unter Redundanz versteht man die Fähigkeit, eine Anlage auch dann störungsfrei weiter zu betreiben, selbst wenn eine zentrale Komponente ausfallen sollte.

Zur Zeit der Bewilligung unserer ältesten Atomkraftwerke bestand die Anforderung nach Redundanz noch nicht. In anderen Worten: Obschon diese Werke nachgerüstet wurden, genügen sie dem heutigen Stand der Technik bei weitem nicht.

Auch die Absicherung der Atomkraftwerke gegen vorsätzliche Flugzeugabstürze gehörte zur Zeit der Baubewilligung nicht zu den Anforderungen der Auslegung. Juristisch gesprochen, ist diese Anforderung auslegungsübergreifend und fällt nicht mehr in den Verantwortungsbereich des Atomkraftwerkbetreibers noch des ENSI.

Ein Ausstieg ohne Datum ist kein Ausstieg

Auslegung des Reaktordruckbehälters: 40 Jahre

Die Forschung darüber, welche Auswirkungen jahrzehntelanger, radioaktiver Beschuss auf den Stahl des Reaktordruckbehälters hat, steckt in den Anfängen. Und da es keine Möglichkeit gibt, die Zeit zu beschleunigen, kann nur an Reaktoren „geforscht“ werden, die sich am Ende ihrer geplanten Lebensdauer befinden. Was bei der Weiterführung des Langzeitbetriebs geschehen wird, weiss niemand. Dieser Blindflug wird dennoch Forschung genannt. Es gibt (interessengebundene) Forscher, die heute behaupten, Reaktoren könnten 100 Jahre betrieben werden …

Im Zweifelsfall zugunsten der Sicherheit entscheiden

Diesem Motto folgend, hat das ENSI zwar nicht die Stilllegung der weltweit ältesten Atomkraftwerke verlangt, aber immerhin die Einführung eines Langzeitbetriebskonzeptes in das Kernenergiegesetz. Das zur Zeit atomfreundliche Parlament hat den Antrag des ENSI abgelehnt.

Das geltend Recht erlaubt es, alle Reaktoren noch 60 und mehr Jahre betreiben zu können.

Energie- und Sicherheitspolitischer Blindflug

Mit der Weigerung des Parlaments eine Verbesserung der Sicherheit beim Langzeitbetrieb in das Gesetz aufzunehmen, hat es nicht nur das Restrisiko für die Bevölkerung weiter erhöht, sondern einen verantwortungslosen Blindflug in der Energiepolitik eingeleitet. Die dadurch verursachte Unsicherheit (unklare Rahmenbedingungen) blockiert Investitionen in den dringenend notwendigen Umbau unserer Energieversorgung.