ATOMKRAFTWERKE SOLANGE SICHER BETREIBEN

Diese Botschaft von Bundesrätin Leuthard offenbart Führungsschwäche.

Sie führt Bevölkerung und Wirtschaft in die Irre.

Zu weiteren Sicherheitslücken von Bundesrätin Leuthard siehe die Box Mahnwache.

Der Mythos von der sicheren Kernenergie

Der Mythos von der sichern und billigen Kernenergie wurde nach dem zweiten Weltkrieg geschaffen. „[Damals gab es] eine grosse Begeisterung für die neue Technologie, kombiniert mit militärischem Interesse. Die Schweiz hatte nach dem Krieg Vorbereitungen für ein Kernwaffenprogramm getroffen. Damals studierten die talentiertesten Nachwuchskräfte Physik […]“ (NZZ 24. 9. 2016).

Mit ihrer Begeisterung gelang es den talentiertesten Physikern, gemeinsam mit der mächtigen Badener Maschinenindustrie, die Schweizer Bevölkerung davon zu überzeugen, dass der Grösste Anzunehmende Unfall GAU, die Kernschmelze, höchstens einmal in einer Million Jahren eintreten würde.

Daraufhin erklärten die Schweizer Stimmbürger (Frauen waren damals noch nicht stimmberechtigt) am 24. November 1957 mit überwältigender Mehrheit die Nutzung der Kernenergie zur Bundessache. Vom Restrisiko fühlte sich niemand bedroht.

Im Durchschnitt alle zwölf Jahre ein schwerer Reaktorunfall.

Heute, sechzig Jahre später, wissen wir, dass bereits fünf dieser anscheinend seltenen GAU’s stattgefunden haben, im Durchschnitt alle 12 Jahre ein GAU.

 

Es erstaunt deshalb, dass der Mythos der sicheren Atomkraft weiterhin kolportiert und geglaubt wird. Im Folgenden wird gezeigt, dass es keinen plausiblen Grund gibt, den offiziellen Beschwörungen der Sicherheit unserer Atomkraftwerke glauben zu schenken.

Das Verhältnismässigkeitsprinzip verunmöglicht Sicherheit

Gemäss Artikel 5 der Bundesverfassung lit 2 „[Muss] staatliches Handeln im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein“. Bezogen auf die Nutzung der Kernenergie hat diese Formulierung schwerwiegende Auswirkungen auf unser Leben.

  • Einerseits wäre es aus der Sicht der Bundesbehörden unverhältnismässig, wenn sie darauf beharrten, dass die AKW-Betreiber für das Restrisiko vollumfänglich haften müssten. Die AKW-Betreiber haften zwar unbegrenzt mit ihrem Vermögen, versichern müssen sie sich, gemäss Kernenergiehaftpflichtgesetz, bis heute lediglich für 1 Milliarde Franken. Die überwältigende Last eines schweren Unfalls muss die Bevölkerung tragen. Die Folgen des Eintretens des Restrisikos – also eines GAU’s – tragen wir somit alle, Sie und ich. Das Restrisiko gehört jedem ganz privat, denn gegen das Restrisiko kann sich niemand versichern (siehe unten).
  • Anderseits muss das Eidgenössische Nuklearinspektorat ENSI beim Vollzug des Kernenergiegesetzes das Gebot der Verhältnismässigkeit beachten. Damit verfügt das ENSI über einen erheblichen Ermessensspielraum, wenn es darum geht, sicherheitstechnische Nachrüstungen zu fordern respektive zu verfügen oder gemäss Kernenergiegesetz KEG zu unterlassen. Wir zitieren KEG Art. 22 Abs 2 g „[Der Betreiber muss] die Anlage soweit nachrüsten, als dies nach der Erfahrung und dem Stand der Nachrüstungstechnik notwendig ist, und darüber hinaus, soweit dies zu einer weiteren Verminderung der Gefährdung beiträgt und angemessen ist;“. Der Begriff „Nachrüsttechnik“ ist eine Schweizer Erfindung …

Sicherheit ist nicht messbar

Für gutgläubige Bürgerinnen und Bürger sollte sich der Mythos Sicherheit endgültig dann verflüchtigen, wenn sie zur Kenntnis nehmen, was Frau Eckhardt, Präsidentin des ENSI-Rates beteuert: dass es weder Aufgabe des ENSI-Rates noch des ENSI ist zu „definieren was sicher ist“. Link zum Artikel

Spätestens jetzt wird jedermann/jederfrau bewusst, dass der Begriff „Sicherheit“ keine objektiv messbare Grösse ist, wie dies gemeinhin angenommen wird, sondern lediglich dazu dient, den Mythos Sicherheit am Leben zu erhalten.

Diese Sichtweise bestätigte auch Gregory Jaczko, der ehemalige Leiter der amerikanischen Atomaufsichtsbehörde  (Nuclear Regulatory Commission NRC) am Nuclear Phase Out Congress vom 21.3.2016 mit den Worten:

“No one can guarantee safety ”

(Niemand kann Sicherheit garantieren )

denn

„safety is a policy matter“

(Sicherheit ist eine politische Angelegenheit)

Wie ist unter diesen Voraussetzungen das Mantra von Frau Bundesrätin Leuthard zu deuten, unsere Atomkraftwerke sollten so lange betrieben werden, als sie „sicher“ sind? Die Redewendung „so lange sicher“ offenbart einerseits Führungsschwäche und anderseits Unsicherheit bezüglich der weiteren energiepolitischen Entwicklung. Wir wissen: Unsicherheit ist das schwerste Gift, das der Wirtschaft verabreicht werden kann.

Die Formulierung so lange sicher ist Nebelgranate und Rohrkrepierer zugleich.

Das Restrisiko ist nicht versicherbar

Schäden die auf die „Veränderung der Atomkernstruktur“ zurückzuführen sind, werden in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Versicherungsgesellschaften[1] generell ausgeschlossen. Der Ausschluss lautet z.B. „Nicht versichert sind: Veränderung der Atomkernstruktur“. Wobei die Veränderung der Atomkernstruktur wie folgt definiert wird: „Kernspaltung oder Kernfusion mit ihren direkten und indirekten Druck- und Strahlenfolgen, ungeachtet ihrer direkten oder indirekten Ursache oder Schadenfolge, des Schadenablaufs, des Schadenorts oder der gewollten oder ungewollten Schadenabsichten.“

Was dies für den Fall des Besitzes von Wohneigentum bedeutet, das sich im Evakuationsradius von 50 km um ein Atomkraftwerk befindet, kann anhand der Erfahrungen aus Fukushima grob abgeleitet werden: Einfamilienhausbesitzer, die ihr Eigentum verlassen mussten, erhielten eine staatliche Entschädigung zwischen CHF 8’000.- bis 10’000.- !

[1] Z.B. Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) Helvetia Privatkundenversicherung All Risks Ausgabe AH 03